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Die EU-Kommission hat das Biomassepaket endlich genehmigt – ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Bioenergie in Deutschland. Wir haben mit unserem Vertriebsexperten Martin Aumüller genauer hingeschaut und über die Neuerungen des Pakets, potenzielle Chancen sowie Möglichkeiten zur Nachbesserung gesprochen.

Was ist der Kern des Biomassepakets und warum ist es für Biogasanlagenbetreiber so wichtig?
Das Biomassepaket bringt die erste große Anpassung seit Einführung der EEG-Ausschreibungen für Biomasse. Die wohl wichtigste Änderung ist die Verlängerung der Anschlussförderung für Bestandsanlagen auf zwölf Jahre. Außerdem wurde der Flexibilitätszuschlag von bislang 65 auf 100 Euro pro Kilowatt erhöht – ein klarer Anreiz, stärker auf eine flexible Fahrweise der Anlagen zu setzen. Der Flexibiltätszuschlag von 100 €/KW gilt auch für Neuanlagen, dann aber für 20 Jahre. Bestehende Biogasanlagen können, wenn sie einen neuen Satelliten-Standort erschließen, für den neuen Standort ebenfalls 20 Jahre Flex-zuschlag erhalten. Parallel wurde das Ausschreibungsvolumen ab Herbst 2025 massiv ausgeweitet, um mehr Projekten eine Chance zu geben. Auf der anderen Seite gibt es aber auch strengere Anforderungen, etwa eine weitere Absenkung des Maisdeckels auf 25% und die neue Berechnungslogik über förderfähige Betriebsviertelstunden.

Wer ist ab Oktober 2025 konkret teilnahmeberechtigt?
Teilnahmeberechtigt sind Neuanlagen ab 150 Kilowatt elektrischer Leistung, die noch nicht in Betrieb sind, sowie Bestandsanlagen, deren erste Förderperiode in den kommenden Jahren ausläuft. Für Bestandsanlagen gilt, dass sie weniger als fünf Jahre Restlaufzeit haben müssen. Eine klare Grenze gibt es jedoch: Es darf kein Biomethan eingesetzt werden. Biomethan ist einem eigenen Ausschreibungssegment vorbehalten, das nur hochflexible Neuanlagen betrifft.

Welche Rolle spielt die Bundesnetzagentur (BNetzA)?
Sie organisiert die Ausschreibungen, veröffentlicht rechtzeitig die Ausschreibungsunterlagen und legt die Höchstwerte für Gebote fest. Ein häufiger Fehler ist, dass Betreiber alte oder falsche Formulare verwenden – das führt automatisch zum Ausschluss. Dazu kommt: Für jedes Kilowatt, auf das man bietet, müssen 60 Euro Sicherheit hinterlegt werden. Diese Summe gibt es zurück, wenn die Anlage in Betrieb geht oder keinen Zuschlag erhält.

Wie läuft das Zuschlagsverfahren ab?
Die Gebote werden nach Preis sortiert, bis das ausgeschriebene Volumen erreicht ist. Wer günstiger bietet, hat also Vorrang. Bestandsanlagen bis 150 Kilowatt bekommen dabei eine Sonderstellung. Sie erhalten automatisch den höchsten noch bezuschlagten Wert, unabhängig von ihrem eigenen Gebot. Für alle Anlagen bis 500 Kilowatt gibt es im Jahr 2025 noch einmal einen Bonus von 0,5 Cent je Kilowattstunde. Zusätzlich gilt: Bestandsanlagen, die an eine Wärmeversorgungseinrichtung angeschlossen sind, haben Vorrang. Bis zu 70 % des Volumens können an solche Projekte gehen, wenn die Ausschreibung überzeichnet ist.

Was bedeutet „Wärmeversorgungseinrichtung“ im EEG-Kontext?
Damit sind leitungsgebundene Systeme gemeint, die mehrere Gebäude mit Wärme versorgen. Die thermische Gesamtnennleistung der Biomasseanlage (Summe aus elektrisch und thermisch installierter Leistung) muss mindestens 300 Kilowatt betragen. Dazu zählen nicht nur Wohngebäude, sondern auch Ställe oder Maschinenhallen. Der Anschluss muss bereits am 1. Januar 2024 bestanden haben und bis zur Gebotsabgabe bestehen. Entscheidend ist, dass der Nachweis durch einen Umweltgutachter mit Zulassung im Wärmebereich erfolgt. Fehlt dieser, drohen Strafzahlungen bis hin zum Verlust des Zuschlags.

Wie entwickeln sich die Ausschreibungsvolumina?
Ab Oktober 2025 werden die Volumina stark ausgeweitet und im Vergleich zu den Vorjahren mehr als verdoppelt. Danach sinken sie aber schrittweise wieder ab, sodass spätestens 2028 nur noch ein sehr kleines Kontingent ausgeschrieben wird. Für dieses Jahr liegt das Gesamtvolumen bei rund 1.300 Megawatt, zuzüglich knapp 174 Megawatt aus dem Biomethan-Segment. Im Jahr 2026 sinkt das Kontingent dann bereits wieder auf gut 1.100 Megawatt, ebenfalls ergänzt durch nicht genutzte Biomethan-Mengen. 2027 stehen nur noch etwa 326 Megawatt plus Biomethan-Überträge zur Verfügung, während 2028 nur noch 76 Megawatt ausgeschrieben werden. Nicht genutzte Volumina werden mit Zeitverzug wieder in den Markt eingespeist. Außerdem werden nicht ausgeschöpfte Mengen aus dem Biomethan-Segment anteilig auf die Biomasseausschreibungen übertragen. Die Auflistung zeigt deutlich, dass jetzt die beste Zeit ist, um zu handeln.

Was ist bei den Gebotshöchstwerten zu beachten?
Für Bestandsanlagen gilt derzeit ein Höchstwert von knapp 20 Cent pro Kilowattstunde, für Neuanlagen liegt er etwas niedriger bei knapp 19,5 Cent pro Kilowattstunde. Diese Werte legt die BNetzA jährlich fest und kann sie seit dem Solarpaket um bis zu 15 % anheben, wenn die EU-Kommission zustimmt. Klar ist aber auch: Ab 2026 ist noch offen, ob die bisherigen Erhöhungen Bestand haben. Es besteht daher die Möglichkeit, dass die Höchstwerte künftig sinken.

Welche Fristen gelten für die Inbetriebnahme oder den Wechsel in die Anschlussförderung?
Neuanlagen müssen spätestens 36 Monate nach Zuschlag ans Netz gehen. Ab 24 Monaten greifen bereits Strafzahlungen, die je nach Verzögerung bis zu 60 Euro pro Kilowatt betragen können. Für Bestandsanlagen gilt ein Wechselkorridor von frühestens drei bis maximal 42 Monaten nach Zuschlag. Spätestens im 43. Monat erfolgt der automatische Wechsel in die Anschlussförderung, unabhängig davon, ob der Betreiber schon bereit ist.

Kannst Du die Neuerungen rund um das Thema Betriebsviertelstunden erläutern?
Ja, das ist eine zentrale Änderung. Früher gab es die Höchstbemessungsleistung auf Basis von Volllaststunden, heute wird auf förderfähige Betriebsviertelstunden umgestellt. Das heißt: Es wird gezählt, in wie vielen Viertelstunden die Anlage Strom einspeist, unabhängig von der Auslastung. Vergütet werden nur die Viertelstunden mit den höchsten Einspeisemengen – maximal rund 11.700 Viertelstunden bei größeren Anlagen und 16.000 bei Kleinanlagen pro Jahr. Das zwingt zu einem flexiblen Start-Stopp-Betrieb und verhindert den klassischen Grundlastbetrieb.

Was sind die wichtigsten finanziellen Anreize?
Ganz klar der Flexibilitätszuschlag. Neuanlagen erhalten ihn für die gesamte installierte Leistung über 20 Jahre, Bestandsanlagen für zwölf Jahre. Die Höhe liegt nun bei 100 Euro pro Kilowatt und Jahr, für bereits durch die alte Flexprämie gemäß EEG 2012/2014 geförderte Leistung bei 50 Euro. Allerdings gibt es Qualitätsvorgaben: Die Anlage muss in mindestens 4.000 Viertelstunden pro Jahr auf 85 % der Leistung kommen, sonst verfällt der Zuschlag.

Welche weiteren Vorgaben sind für Betreiber besonders relevant?
Erstens der Mais- und Getreidekorndeckel, der ab 2026 auf 25 % sinkt. Zweitens die Regelung, dass es keine Vergütung mehr gibt, wenn der Spotmarktpreis bei zwei Cent oder darunter liegt. Drittens müssen Anlagen ab einer Feuerungswärmeleistung von 2 Megawatt die Nachhaltigkeitsanforderungen der BioSt-NachV erfüllen. Dazu kommen technische Pflichten wie Fernsteuerbarkeit, Redispatch-Teilnahme ab 100 Kilowatt und der Nachweis hocheffizienter KWK.

Was rätst Du Betreibern für die Praxis?
Frühzeitig die Genehmigungen im Marktstammdatenregister aktualisieren, rechtzeitig Umweltgutachter einbinden und die Flexibilitätsanforderungen in der Anlagentechnik einplanen. Gerade die Umstellung auf Betriebsviertelstunden erfordert ein Umdenken im Fahrplan. Wer das ignoriert, riskiert Vertragsstrafen oder sogar den Verlust des Zuschlags. Gleichzeitig gilt: Wer seine Hausaufgaben macht, profitiert von planbaren Einnahmen über zwölf oder zwanzig Jahre.

Wie kann bioconstruct bei der optimalen Umsetzung des neuen Biomassepakets helfen?
Wir unterstützen unsere Kunden dabei, ihre Technik auf die neuen Flexibilitätsanforderungen auszurichten. Wir entwickeln und installieren Blockheizkraftwerke sowie Speicher- und Steuerungssysteme, die den Start-Stopp- Betrieb ermöglichen. Außerdem begleiten wir die Nachrüstung bestehender Anlagen, damit Überbauung und Hocheffizienz-Nachweise problemlos erfüllt werden. Als Betreiber und Betriebsführer helfen wir, die administrativen Hürden zu meistern. Wir leisten Hilfestellung bei der Vorbereitung für die Teilnahme an Ausschreibungen, bei den Meldungen im Marktstammdatenregister und kümmern uns um das zunächst Wichtigste, nämlich die Beantragung der Genehmigung. Zusätzlich bieten wir Tools an, die es ermöglichen, flexibel auf Strompreise zu reagieren, denn durch die 2-Cent-Regelung zählt es, den Fahrplan im Griff zu haben.

Zudem beraten wir zu strategischen Fragen: Wie kalkuliere ich mein Gebot richtig?
Welche Substratstrategie hilft mir, den Maisdeckel einzuhalten? Wie stelle ich sicher, dass ich den Flexibilitätszuschlag jedes Jahr voll ausschöpfen kann? Hier kombinieren wir technisches Know-how mit betriebswirtschaftlichem Verständnis.

Kurz gesagt: Wir helfen den Betreibern, die neuen Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern daraus auch einen Wettbewerbsvorteil zu machen.

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